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Lukas Otten


Moderne Vintage-Möbel aus Holz und Stahl

Lukas Otten


Moderne Vintage-Möbel aus Holz und Stahl

Lukas Otten


Moderne Vintage-Möbel aus Holz und Stahl

Südwestlich von der Bremer Innenstadt liegt der weniger bekannte Stadtteil Strom. An der einzig durchführenden Landstraße kann man auf der rechten Seite, wenn man in Richtung Delmenhorst fährt, ein rotes Haus im skandinavischen Baustil erkennen. Dort hatte sich im 20. Jahrhundert das Bremer Holzhandwerk niedergelassen, in dem Tischler verschiedenste Möbelstücke bis heute kreieren. Zurzeit ist ein achtköpfiges Kollektiv im Holzhandwerk aktiv - unter ihnen befindet sich Lukas Otten. Mit der besonderen Kombination Holz und Stahl kreiert der 26-jährige geradlinige und robuste Möbel für seine Kunden, beispielsweise für den Plattenladen Studio illegale. Im Gespräch erzählt er von seinen Anfängen, wann für ihn ein Möbelstück fertig ist und verrät, warum die Berufe Tischler und Designer eng miteinander verbunden sind.

Lukas war schon immer fasziniert von der Werkstatt seines Großvaters, wo er bereits mit Holz in Kontakt kam. Nach dem Abitur traf er die Entscheidung, den Beruf des Tischlers professionell anzugehen, mit dem Hintergedanken, die erlernten Fähigkeiten im späteren Leben gebrauchen zu können. Nach der Ausbildung arbeitete er unter anderem in der Plantage im Bremer Stadtteil Findorff. Auch wenn dort die unterschiedlichsten Handwerker wie Schneider und Polsterer tätig waren, empfand Lukas die Räumlichkeiten als zu klein und er konnte seine Fähigkeiten nicht wie gewünscht entfalten. Somit hat er sich auf die Suche nach einer neuen Werkstatt gemacht und ist auf eBay fündig geworden: Ein rotes, unscheinbares Haus im Stadtteil Strom, in dem das Bremer Holzhandwerk sich befindet. Sein erster Besuch dort hat bei ihm eine Faszination ausgelöst: »Ich bin reingekommen und habe gesagt: ›Ich glaube, ich habe mich in diese Werkstatt verliebt!‹«. Daraufhin trat Robert, einer der dort tätigen Tischler, auf die Euphoriebremse und schlug ihm erstmal vor, ein Projekt durchzuführen und sich in der Werkstatt einzuleben. Lukas nahm diesen Vorschlag an und baute ein Holzbett.

Neben Holz verwendet Lukas für seine Möbelstücke auch Stahl. Mit dieser Kombination unterscheidet er sich von den meisten Tischlern, weil sie Stahl als kalten Werkstoff betrachten und nicht sonderlich schön finden. Für ihn aber wirkt er direkt und ist »einfach ganz straight und on point. Das muss keine Hexerei oder Zauberei sein, sondern das soll einfach wirken für mich.« Seine Möbelstücke sind schlicht und praktisch gestaltet. Ebenfalls haben seine Arbeiten einen Retro-Stil, der sie wiederum zu modernen Vintage-Möbeln macht. Dabei ließ er sich von den Werken des Ehepaars Charles und Ray Eames inspirieren sowie von den Arbeiten Jean Prouvés. Rückblickend auf die Designgeschichte meinte Lukas, dass heutzutage Vieles mehr an das Vergangene angelehnt ist und dass man die Möbel etwas abwandelt oder ihnen neue Funktionen hinzufügt.

Eine Funktion, die für ihn nicht außer Acht zu lassen ist, ist der Einsatz von recyceltem Material. Er achtet darauf, dass er mit wiederverwendetem Stahl und mit Holz arbeitet, das nicht aus gefährdeten Wäldern stammt. Dies demonstrierte er an der Armlehne seines Sessels. Dessen Holz war Teil einer Räucherkammer eines Bauernhauses aus dem Jahr 1854 und zeigte dementsprechend eine »spezielle Maserung und Struktur.« Trotz des ganzen Recyclings merkt Lukas auch an, dass die Siegel, die alle Hölzer erhalten, ihn mittlerweile stutzig gemacht haben: »Was ist jetzt hundertprozentig ökologisch und was nicht? Das weiß man nicht. Ich lege schon Wert darauf, dass das keine Tropenhölzer sind, die vom Aussterben bedroht sind.« Für ihn ist die Wahl des Holzes stark angeknüpft an die Gestaltung eines Möbelstücks.

»Was will ich eigentlich erreichen? Will ich ein schlichtes Bild? Will ich ein wildes Bild? Ich glaube, das kriegt man auch mit heimischen Hölzern hin, ohne das man bösartig die Tropen leerholzen muss.«

Der Gestaltungsprozess bei Lukas unterscheidet sich kaum von dem eines Künstlers oder Mediengestalters. Die Ideen kommen meist spontan, manchmal sogar im Traum, worüber er selbst schmunzeln muss. Am nächsten Morgen werden dann Stift und Zettel herausgeholt und er fängt an zu skizzieren. Anschließend zeichnet er nochmal am PC und muss dort auf die Proportionen seines Möbelstücks achten. Dies kann unter Umständen problematisch werden, denn er kann die Proportionen erst richtig einschätzen, wenn er es gebaut hat: »Bei einer Skizze kannst du grob angeben, in welche Richtung das gehen soll, aber das fertige Produkt zeigt erst, ob es gut ist oder nicht.« Als einen der wenigen Orientierungspunkte dienen für ihn die Normmaße. Hier gibt Lukas an, dass ein Mensch auf einer Höhe von 45 cm gut sitzen kann und ein Esstisch 75 cm hoch sein sollte. »Die muss ich berücksichtigen, sonst hast du einen Stuhl, wo du scheiße drauf sitzt (lacht) und da hat man keine Freude dran. Da kann der noch so gut aussehen.«

Nach der Beschreibung seiner Vorangehensweise konfrontierte ich ihn mit einer schweren Frage: Wann betrachtet er ein Möbelstück als fertig? Gerade im Handwerk, meint Lukas, werde »jede kleine Ecke und jedes kleine Fitzelchen, was nicht hundertprozentig ist« kritisch betrachtet. Wegen dem Perfektionismus-Gedanken ist ihm das Feedback seiner Mitmenschen wichtig. Man sollte sein Werk »mit Stolz betrachten«, denn jedes Möbelstück kann auch »eine Macke« haben. Dadurch bekommt jedes Stück seine eigene Persönlichkeit oder Würze und »wenn man den Charakter gefunden hat, dann ist es vielleicht fertig.«

Für die Selbständigkeit ist Lukas ein Risiko eingegangen und hat keinen Kredit bei einer Bank aufgenommen. »Das ist für mich eine Sache, die ich mir nicht zugetraut hätte. Jetzt zur Bank zu gehen und zu sagen: 50.000€ für 3,5% [Zinsen] – nee, da bist du eine lange Zeit am Abstottern. Wenn es dann nicht klappt, hast du ein Problem. Ich denke mir: Wenn‘s in die Hose geht, geht‘s in die Hose und dann habe ich es probiert. Sonst werde ich mich immer ärgern, wenn ich es nie gemacht hätte.« Weiterhin erwähnt Lukas den Begriff der Kundenakquise, die für ihn enorm wichtig ist. Gelegentlich fährt er mit den anderen vom Holzhandwerk auf Baustellen und versucht dort, neue Projekte zu vereinbaren. Nebenbei hat er auch im privaten Umfeld einige Kontakte.Zwischen Januar und Februar hatte er mit den Betreibern des Plattencafés Studio illegale im Viertel kooperiert.

Dort hat er den Holztresen mit einem eingelassenen Plattenspieler und die Holzregale für die Schallplatten konstruiert. Dennoch hat er auch Kunden, die mitunter noch komplexere Möbelstücke anfragen. Ein Projekt, was er zuletzt durchgeführt hat, war ein spezielles Bücherregal: »Komplett rund auf einem Drehteller, den du in sich drehen kannst und dann läuft der spiralförmig nach oben. Das war eine Riesen-Herausforderung für mich, aber das war der Kundenanspruch und genau so wollten die es haben.« Bei einem weiteren aktuellen Projekt ging es um einen Couchtisch, bei dem die Kundin nur einen Wunsch hatte: Nicht mit dem Knie gegen den Tisch stoßen. Auch wenn bei einem spiralförmigen Bücherregal und einem unfallfreien Couchtisch die Anforderungen weit auseinanderliegen, zählt für Lukas nur eines: Die Erfüllung der Kundenwünsche ‒ eine Bedingung, die im Design oberste Priorität hat.

» Du hast einen Kunden, der sich etwas wünscht und dann baust du es, wie der Kunde es haben will. Jeder Tischler hat seinen Stil, aber trotzdem erfüllt es die Kundenwünsche. «

Bei den hohen Anforderungen tüftelt Lukas teilweise mehrere Nächte an dem Konzept und der Ausführung, ganz zu schweigen von der Deadline eines Projekts. Hierbei kann das Kollektiv ihm unter die Arme greifen. Alle arbeiten selbständig in der Werkstatt: » Jeder ist für sich. « Aber in den Mittagspausen kann man auch Fachprobleme ansprechen und darüber diskutieren: »Man holt die Stifte und 'nen Zettel raus und überlegt - ein ganz reger Austausch. Man ärgert sich nicht übereinander. Wenn der eine sein Bindestück versaut, dann habe ich damit nichts zu tun (lacht). Dann kann man sich mit ihm zusammen ärgern, aber es gibt keine Streitigkeiten deswegen.«

Alleine in der Werkstatt zu arbeiten, könnte er sich überhaupt nicht vorstellen.

»Wenn ich jetzt für mich alleine eine Werkstatt hätte, würde ich auch irgendwann einsam werden, weil man schon viel Zeit hier verbringt und auch viel am Fluchen ist, wenn irgendwas nicht funktioniert. Da hast du Leute, mit denen du das kompensieren kannst. Ich habe mich jetzt hier gut eingelebt und das ist mein Zuhause geworden.«

Gegen Ende des Gesprächs wollte ich gerne erfahren, wie Lukas seine Möbel bisher vermarktet hat und wie er zukünftig dabei vorgehen möchte. Zunächst hatte er es in einem Vintage-Möbelladen in der Bremer Neustadt probiert und dort seinen Sessel unter anderem ausgestellt. Dies hat zwar das Interesse von jungen Leuten geweckt, die sich aber » neue Designer-Möbel noch nicht leisten können. «

Er versuchte es auch über Instagram, was ihm aber überhaupt nicht liegt. Wenn er sich die Arbeiten anderer Tischler dort anschaut, sieht er zwar, dass Videos hochgeladen werden, die den Bauprozess eines Möbels im Zeitraffer zeigen. Aber er sieht sich nicht als »Medienmensch [...] Ich habe hier gar kein Bock, mein Handy zu zücken, um immer ein Foto zu machen und hier noch ein Video.« Zudem fehlt für Lukas auf der Plattform auch der dringend benötigte Austausch mit dem Kunden. Deswegen bevorzugt er Kunsthandwerkermärkte und Ausstellungen, wo es sich für ihn wie auf einem Flohmarkt anfühlt. »Ich habe dann Kontakt zu den Leuten und ich schnacke auch gerne und da kommt man schnell ins Gespräch. Das ist viel direkter als Instagram. Da hast du dann deine 5000 Likes und freust dich einen Ast, aber hast noch nicht einen Euro damit verdient. Da weiß man gar nicht, woran man ist.«

Aus diesem Grund besinnt sich Lukas auf die Wurzeln des Tischlers: Die Produktion. Auch wenn der Verkauf seiner Möbel nicht sofort funktionieren sollte, fertigt er lieber schon das nächste Möbelstück an, weil ihm das »viel Energie gibt und Lust auf das Handwerk.«

»Es geht nicht immer darum, Designer-Möbel zu bauen. Es geht auch darum, sein Handwerk zu beherrschen. Im Endeffekt ist jeder Tischler ein Designer, weil du mit jeder Situation, mit jedem Raum immer neu umgehst.«
Autor
Marco

Fotos: Janika