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Michel Ryeson


Stadtmusikant

Michel Ryeson

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Michel Ryeson

Wir haben uns mit Michel Ryeson in den Harbor Inn Studios in Bremen-Gröpelingen getroffen. Hier hat der Singer-Songwriter viel Zeit mit Proben verbracht, um sich auf kommende Konzerte vorzubereiten und an neuen Songs und Videos zu arbeiten. Das Studio hat durch seine vielen Musiker und Kreative einen besonderen Charme, der trotz aller Professionalität oft an eine Kommune oder WG erinnert. In der kleinen Studio-Küche quatscht man sich gerne mit dem Studio-Chef Timo Hollmann fest. Mit seinem Wissen und seinen Tour-Erfahrungen unterstützt er alle im Studio. Er war auch so nett, uns hier das Interview mit Michel führen zu lassen. Danke Timo!

Was sind das für Anforderungen, die du hast, wenn du bei Leuten im Wohnzimmer auftauchst, um für sie zu spielen? Ist schon mal was daneben gegangen?

Ganz einfach: Ich komme und bringe quasi alles mit, was man zum Konzert spielen braucht. Die Gastgeber laden dann natürlich die Leute ein. Meine einzige Erwartung ist einfach, dass jeder, der da ist, auch Bock auf Musik hat. Die Leute sollen Lust haben, mir zuzuhören und Bock auf den Abend haben, der Rest ist mir egal. Natürlich isses kacke, wenn die Leute einfach kommen, aber keinen Bock auf dich haben. Auf der Release-Tour 2017 von meiner damaligen Platte war ich auch deutschlandweit unterwegs und habe in München gespielt. Das lief damals über eine Freundin, die mir dort ein Konzert organisieren wollte. Es hat alles nicht so geklappt, aber sie hat mir gesagt, dass ich das Datum in München auf jeden Fall mit einplanen soll. Letztendlich habe ich dann bei einem Bekannten von ihr auf einer Geburtstagsfeier gespielt. Es war dubios. In einem Münchener Vorort schlug ich dann in irgendeinem vollgerauchten Partykeller auf und durfte in einer Ecke mein Konzert vor knapp 30 Leuten spielen, die es einfach nicht interessiert hat. Das war schon deprimierend. Danach habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder auf einer fremden Party spiele, wo ich die Leute nicht kenne.

Wie ist es gekommen, dass du Musiker geworden bist? Wo hat das angefangen?

Mit zwölf Jahren hatte ich meine erste Gitarre. Ich glaube, meine Mutter hat mir dann die ersten Griffe beigebracht und dann hatte ich einfach Bock, viel Gitarre zu spielen. Ich war auch oft in der Gemeinde am musizieren und habe auf Freizeiten immer meine Gitarre dabei gehabt. In der Zeit habe ich auch Saxophon im Schulorchester gespielt. Mit 16 Jahren hab ich dann auch mal in einer Band gespielt, eigentlich nur Cover. Da haben wir auf dem 49. Geburtstag von meinem Dad gespielt – solche Auftritte halt. Nach zwei Jahren hat sich das Ganze aber aufgelöst und ich habe in der Gemeinde in einer Lobpreisband gesungen und Gitarre gespielt. Das lief auch echt gut, aber hat sich dann auch irgendwann von selbst erledigt, weil unser Drummer nach Afrika gegangen ist. Dann habe ich angefangen, meinen Kram alleine zu spielen. Ich hatte zwar Bock auf ‚ne Band, aber habe zu der Zeit keine Leute gehabt, die selber solche Ambitionen hatten wie ich. Ich wollte das schon nach vorne treiben und viel live zocken und so. Ich habe einfach niemanden gefunden der das genau so wollte wie ich. Und ich hatte auch Bock meine Musik zu machen. Ich will halt auch nicht einfach mit irgendjemanden spielen, sondern so, dass am Ende ein geiles Live-Ding dabei herauskommt. Also hat es sich ergeben, dass ich meine Solokonzerte immer weiter aufgebaut habe. Mit einer am Anfang noch geliehenen Loopstation konnte ich dann schon 'nen guten Sound auffahren für jemanden, der alleine auf der Bühne steht. Mittlerweile habe ich so viele gute Erfahrungen mit diesem solo Spielen gemacht, dass es sich einfach richtig und gut anfühlt, das bewusst so zu machen. Also generell hätte ich mal Bock, meinen Kram mit einer Band zu spielen, aber da muss man dann abwägen, ab wann das realisierbar ist mit Proben, Kosten und so. Man muss die Leute ja auch bezahlen können. Das ist auch manchmal schwierig.

Michel Ryeson

Michel, letztes Jahr hast du dich alleine im Nachwuchs-Wettbewerb »Live in Bremen« durchgesetzt. Wie hast du es als Singer-Songwriter geschafft, dich gegen neun voll besetzte Bands behaupten zu können?

Ich erinnere mich, dass ich die Bewerbung ohne große Erwartungen abgeschickt habe. Ich habe einfach nur gehofft, irgendwie dabei sein zu können und mitzuspielen. Die anderen Musiker dann kennen zu lernen war geil. Im Halbfinale auf der Breminale habe ich gemerkt, dass es echt alle gute Leute und Musiker sind. Es ging mehr darum, einen guten Tag zu haben und geile Mucke zusammen zu machen, als sich die Plätze fürs Finale zu krallen. Im Finale waren‘s dann halt schon ein paar weniger, aber auch da waren wir alle vom musikalischen Level auf einer Höhe. Es war einfach klar, dass alle Finalisten Bock haben zu zocken und sich gegenseitig pushen wollten. Keiner hat jemand anderem was Schlechtes gewünscht und alle wollten, dass man zusammen 'ne geile Zeit hat. Es ist einfach was Besonderes, wenn junge Musiker zusammen in einer Location wie dem Schlachthof spielen können. Vom Wettbewerbscharakter haben wir als Musiker dann kaum was gespürt. Dadurch, dass ich alleine spiele, habe ich mich schon sehr von den anderen Finalisten abgegrenzt.

Neben meiner Gitarre und Stimme benutze ich halt noch Samples und loope live auf der Bühne und kann dadurch eine Sound-Kulisse erzeugen, die man sonst nicht von einem einzigen Typen erwarten würde. Es ist dann immer schwer zu sagen, warum gerade ich das Ding gewonnen habe, aber ich glaube, dass ich einfach gut mit Leuten kann – Entertainment auf der Bühne liegt mir. Ich habe immer Bock, Leute mit einzubeziehen und dadurch war die Stimmung einfach geil. Ich hatte aber auch riesen Support von Leuten, die für mich da waren und mega Stimmung gemacht haben und am Ende war es 'n Gesamtding was ganz gut aufgegangen ist. Warum sich die Jury letztendlich für mich entschied, weiß ich nicht. Man hätte bei jeder der anderen Bands auch viele Punkte aufzählen können, um die zum Gewinner zu machen.

Loopstation
Harbor Inn Studios
Michel Ryeson
Michel Ryeson

Dadurch, dass du »Live in Bremen« gewonnen hast, konntest du ja dein erstes eigenes Headline Club-Konzert im Kulturzentrum Lagerhaus spielen. Wie war das für dich?

Ich glaube, ich war noch nie so nervös wie vor diesem Konzert. Das ist für mich das, worauf man als Künstler immer hinarbeitet: Eine eigene Show spielen und zu erreichen, dass die Leute nur wegen dir da hinkommen, weil sie deine Musik geil finden und Bock haben, sich das einen ganzen Abend zu geben. Deswegen habe ich mich auch umso härter vorbereitet und einen ganzen Monat durchgeprobt. Ich war eigentlich nur drinnen und habe an den Songs gefeilt, neue Samples eingebaut, damit halt alles perfekt ist für das Konzert. So eine Chance muss man nutzen. Eine eigene Show ist etwas sehr Besonderes und deshalb habe ich auch drauf geachtet, dass die Leute das im Vorfeld mitkriegen. Ich habe mein Social-Media-Kram in der Zeit sehr ernst genommen, damit auch jeder den es interessieren könnte, 'ne Chance hat, zum Konzert zu kommen. Wenn du willst, dass Leute zu deinem Konzert kommen, musst du schon über Wochen vorher auf der Timeline deiner Fans auftauchen. Damit sie dann nach dem zehnten Mal, wenn sie‘s sehen, denken: ›Joaa ganz cool eigentlich ... ich hole mir jetzt echt mal ein Ticket.‹

Man konnte dich ja letzten Sommer oft in der Bremer Innenstadt musizieren hören. Spielst du lieber auf der Straße oder in einem Club?

Ich spiele natürlich lieber in Clubs. Es ist einfach eine andere Stimmung, wenn die Leute bewusst zum Konzert kommen und so grob wissen, was sie erwartet und man zusammen ‚ne gute Atmosphäre schafft. Auf der Straße ist es auch nicht so gemütlich und man kriegt kein Essen. Die Leute kommen ja nicht wegen dir in die Stadt. Die laufen halt an dir vorbei und bleiben eventuell stehen, wenn es ihnen gefällt. Ist auch cool und macht Bock. Aber alles was ich auf der Straße mache, mache ich ja, weil ich primär woanders hin will. Man sammelt außerdem viele Erfahrungen, die man sonst so nicht bei anderen Konzerten sammeln kann, da man immer auf komplett fremde Menschen trifft. Trotzdem möchte ich nicht mit Mitte 30 noch auf der Straße spielen müssen. Ich wünsche mir, dass Leute dann meine Mucke so feiern und zu meinen Konzerten in die Clubs kommen. Einfach auch aus dem Kontext heraus, falls man irgendwann mal eine Family hat und nicht immer auf der Straße Musik machen muss, um Babybrei kaufen zu können.

Du gehst ja bald wieder auf eine ausgedehnte Wohnzimmer-Tour. Wie läuft das so?

Auch wenn es »nur« eine Wohnzimmer-Tour ist, ist die Organisation ziemlich aufwändig. Manchmal macht‘s Bock und manchmal ist es auch mega nervig. Für die aktuelle Tour habe ich einfach einen Aufruf auf Social Media gemacht und gesagt: »Leude, ich geh‘ auf Tour! Meldet euch, wenn ihr Bock habt, dass ich bei euch im Wohnzimmer spiele.« Und zack, fertig. Es haben sich sehr viele Leute gemeldet. Über drei Monate habe ich Anfragen angenommen und immer wieder gepostet, dass ich diese Tour plane. Dann haben tatsächlich die Meisten auch geantwortet und ein paar gar nicht mehr. Man hat dann sauviel Mail-Verkehr. Es waren circa 45 Leute, mit denen ich geschrieben habe und letztendlich habe ich jetzt 35 Konzerte auf meinem Tourplan. Dann geht es daran, Infos an alle rauszuschicken – was du so brauchst technisch. Für Viele ist es das erste Mal, dass sie überhaupt so eine Erfahrung machen und dementsprechend musst du auch viel erklären. Ich habe schon um die hundert Stunden nur in die Planung der Tour investiert. Das ist schon ein riesen Zeitaufwand. Wenn ich bei Bekannten spiele, penne ich auch gerne bei denen, aber meistens sorge ich dafür, dass ich irgendwo in der Nähe unterkomme nach dem Konzert. Man kommt an, lernt immer neue Leute kennen und hat einen schönen Abend und wenn man dann noch da übernachtet, wird gerne noch ein Bierchen getrunken, obwohl ich dann einen Ingwer-Tee bräuchte. Muss ja wieder zocken können am nächsten Tourtag. Um zu vermeiden, dass man irgendwann keine Energie mehr hat, pennt man dann besser woanders.

Michel Ryeson
Autor
Paul

Fotos: Max