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Studio illegale


Vinylgenuss mit Kaffee serviert

Vinyl in store

Studio illegale


Vinylgenuss mit Kaffee serviert

Studio illegale


Vinylgenuss mit Kaffee serviert

In vielerlei Hinsicht lässt sich das Bremer Viertel als Epizentrum von Kultur, Nachtleben und Unternehmertum bezeichnen. In keinem anderen Stadtteil gibt es eine so hohe Ladendichte von eigens betriebenen Restaurants, Bars und Friseuren bis hin zu Büchereien, Kiosken und Museen. Beim musikalischen Angebot hatte sich jedoch in letzter Zeit etwas getan: Der Abschied der beiden Plattenläden EAR und Boombastic tat vielen Liebhabern von Vinyl weh und es hatte sich eine Lücke in diesem Bereich gebildet. Mit dem Studio illegale gibt es einen neuen Anbieter von Schallplatten, aber er möchte nicht in deren Fußstapfen treten. Mit einem neuen, ungewöhnlichen Konzept und einer anderen Musikauswahl möchten die Betreiber Christian und Mantao vor allem DJs und Fans der elektronischen Musik anlocken.

Seit Anfang März ist der Laden nun geöffnet und anhand der Bilder vom Eröffnungstag auf ihrer Facebook-Seite konnte ich es kaum erwarten, dem Studio illegale selbst einen Besuch dort abzustatten. An dem etwas verregneten Interview-Tag haben wir es uns dann ein Stockwerk höher gemütlich gemacht bei einer Tasse Kaffee und Kuchen.

Doch woher kommt der ungewöhnliche Name Studio illegale, mit dem man auch dubiose Machenschaften und Deals verbinden könnte? Die Antwort findet man auf einem Messingschild, das Mantao während eines Urlaubs in Italien entdeckt hat. Auf diesem stehen die Worte »studio legale« drauf, was auf italienisch »Anwaltskanzlei« bedeutet. Um dem Begriff einen witzigen Twist zu geben, wurde noch eine Silbe hinzugefügt und geboren war der Name.

Kennengelernt haben sich Mantao und Christian 2017 in einer Bremer Bar mit dem passenden Namen Urlaub. Während Mantao vor zwei Jahren mit dem Beginn des Jurastudiums, das er mittlerweile abgebrochen hat, nach Bremen gekommen ist, lebt Christian bereits seit 2012 in der Hansestadt. Dadurch, dass beide regelmäßig als DJs aktiv waren und auch noch sind, konnten sie sich schnell austauschen und kamen eines Tages auf die Idee, einen Plattenladen im Bremer Viertel eröffnen zu wollen. Zu dem Zeitpunkt hatten die beiden die Vorstellung, »dass es so einen Ort geben könnte, wo man nicht mit dem Mausrad durch Platten scrollt.«

Die Vorstellung konnte ab Januar diesen Jahres umgesetzt werden, nachdem Paula und Timm, zwei Freunde von den Betreibern, das Internetcafé Lift übernommen und von der Idee des Ladens gewusst haben. Dort, wo das Büro des Lift sich befand, kann man sich nun auf zwei Etagen Schallplatten anhören und sich frei unterhalten.

» Ich finde es immer interessant, was in dieser Clubszene letztendlich passiert und was hier gerade angesagt ist. Ich finde es immer noch spannend, was die jungen Leute machen und darum geht es: Den ›special interest‹ von DJs und den aktuellen Vibe dieser Clubkultur versuchen, einzufangen. «

Beide Betreiber haben sich auf ihre Genres spezialisiert. Während Mantao sich mehr auf die »DJ-Mucke«, sprich House, Techno, Disco und Electro fokussiert, zieht es Christian mehr zu den afroamerikanischen Musikrichtungen Funk, Soul, Hip-Hop, Reggae. Beim Durchstöbern der Platten ist mir zudem die handverlesene Musikauswahl aufgefallen. Keine Schallplatte wirkt so, als ob sie zufällig von einem Flohmarkt abgegriffen wurde, sondern jedes Stück wurde mit Vorsicht ausgewählt und in die Regale gestellt. »Da ist es relativ selbstverständlich, dass man Platten kauft - auch als Händler - wenn man dahintersteht. Da ist nichts dabei, was pauschal bestellt wird.«

Beim Musikangebot sind die Gespräche mit anderen Kunden und deren Feedback für Mantao und Christian von elementarer Bedeutung. Mantao meint dazu: »Wir haben nicht vor, von oben herab ein Plattensortiment zu bestimmen und zu sagen: Das ist der heiße Scheiß und das ist die Mucke, die du im Club gerade spielen musst.« Christian fügt dem hinzu: »Wir sind sehr offen für Musikempfehlungen und wenn wir wissen, es gibt Leute, die sich für den oder den Bereich interessieren, dann bestellen wir auch da Mucke.«, merkt aber auch an: »Die Standard-AC/DC-Platte wird man hier erstmal nicht finden. Dafür gibt es auch andere Läden.«

Nicht nur die Schallplatten sind vorsichtig ausgesucht - auch in den ladeneigenen Kühlschrank dürfen beispielsweise keine Coca-Cola und Produkte von Nestlé rein. Plastiktüten sind ebenfalls tabu. Das würde nicht zu der ökologisch-geprägten Haltung beider Betreiber passen.Was sie aber nicht vermeiden können, ist der logistische Aspekt bei der ganzen Sache. Die Platten müssen auch zum Laden transportiert werden und es gehen dabei Unmengen an Kartons und Pappe drauf, wie Christian erwähnt. Hinzu kommt, dass Vinyl meist in einer Plastikhülle verstaut wird, um es besser vor Schäden schützen zu können.

Es kann passieren, dass ein Besucher mal keine Schallplatte kauft, aber wenn eine Tasse Kaffee bestellt und locker miteinander geplaudert wird, hat das für sie einen ähnlich großen Stellenwert. Der Kaffee ist der zweite, wichtige Bestandteil des Ladens, der schon mehrfach auf der Facebook-Seite gelobt wurde und vor allem Mantao am Herzen liegt. Dabei zieht er einen Vergleich zu einer gewöhnlichen Kneipe: »Eine 0815-Kneipe, die lieblos eingerichtet ist und wo es Standardbier gibt, ist meistens auch uninteressant.«

Die Einrichtung im Studio illegale spielt eine zentrale Rolle. Der Holztresen mit eingelassenem Plattenspieler und die Plattenregale wurden unter anderem vom Tischler Lukas Otten angefertigt. Für die Besucher stehen zwei Plattenspieler zu Verfügung, wobei der Lautstärkeregler geschickt in einem alten Telefon integriert ist. Eine Etage weiter oben kann man es sich auf Vintage-Sesseln und Sofas gemütlich machen und dabei ein Magazin lesen oder mit anderen Leuten plaudern. Gerade Letzteres zeichnet die heimische Atmosphäre im Plattencafé aus und ist das Ziel ihres Konzeptes.

» Rumhängen, sich austauschen, quatschen über Mucke - das kann man in anderen Plattenläden am Tresen sicherlich auch, ...
aber entspannt, bequem auf‘m Sofa mit 'nem gewissen Interieur, was dazu einlädt, zu verweilen - das ist so die Idee. «

Auf die Frage, welche Events die beiden in nächster Zeit in der Pipeline haben, antwortet Mantao, dass sie das Studio illegale als »Spielplatz für uns, aber auch für andere« betrachten. Jeden Samstag gibt es die sogenannten Instore-Sessions, die es DJs und Musikern ermöglichen, tagsüber im Laden zu performen. Unter anderem sind bereits dort Künstler wie Wayne Snow, Ray Monero und die Hip-Hop-Crew Am Apparat aus der Bremer Neustadt aufgetreten.

Um die Kundschaft stets auf dem aktuellen Stand zu halten, drucken sie jeden Monat zwei A3-große Zeitpläne als Flyer aus, die sie im Laden aufkleben, abfotografieren und anschließend auf ihre Social-Media-Accounts hochladen. Die Accounts werden regelmäßig gepflegt und sie posten sehr strukturiert: Für die Instore-Sessions werden die Künstler stets vor dem Eingang präsentiert und neue Platten werden in Form eines Daumenkinos von vorne nach hinten durchgeblättert. Außerdem können andere Plattenhändler an einem Wochentag ihre Platten zum Verkauf im Laden in Form eines Pop-up-Stores anbieten, z.B. vom Hip-Hop-Spezialisten Boombastic.

Die Betreiber haben viele weitere Ideen skizziert, unter anderem einen Plattenflohmarkt, eigens organisierte Partys, ein eigenes Musiklabel, Diskussionsrunden und Vorlesungen. Vieles davon steht noch in den Sternen, aber für Christian und Mantao geht es jetzt vor allem darum, dass das Studio illegale mit der Social-Media-Präsenz eine Eigendynamik entwickelt. Sie lassen alles auf sich zukommen und denken dabei nicht kommerziell, meint Christian:

»Das kann uns jetzt nicht jeden Monat in die Miese reißen, aber wir müssen davon nicht unser Essen kaufen. Das ist ganz wichtig! Wenn du das machst, kommst du vielleicht in die Überlegung, kommerzieller zu denken. Ich muss vielleicht billigeren Kaffee kaufen und den für mehr verkaufen und so‘n Quatsch. Und das wollen wir gar nicht! Das würde sich mit dem Idealismus, mit dem wir das betreiben, komplett beißen.«

Autor
Marco

Illustration: Quyen
Fotos: Max